Bekannte Wissenschaftler in Göttingen

Göttingen und die Welt

Die Namen vieler bedeutender Wissenschaftler verbinden sich mit Göttingen. Im Vergleich zu Tübingen und Heidelberg ist die renommierte Georg-August-Universität eher jung. Erst 1734 wurde die erste Vorlesung gehalten. Samuel Christian Hollmann, ein Philosoph, der sich später den Naturwissenschaften zuwandte und zu Anatomie, Botanik, Paläontologie und Meteorologie arbeitete, referierte. Der Beginn war Programm: Die Vorherrschaft der Theologie wurde durch das Prinzip der Aufklärung abgelöst.

Die Freiheit des Geistes und der Forschung zeichnete Göttingen von Anfang an aus. Jenem Geist verdankt sich die Entwicklung der Naturwissenschaften, insbesondere der Mathematik, der Physik und der Medizin, die Weltruhm erlangte und wegweisend wurde. 

Auf Albrecht von Haller, der ab 1736 den Lehrstuhl für Anatomie, Chirurgie und Botanik innehatte, gehen das Anatomische Theater, der botanische Garten und die erste Universitäts-Geburtsklinik im deutschsprachigen Raum zurück. 

Auch die geisteswissenschaftlichen Fakultäten zogen große Geister an, die bis heute unsere Kulturgeschichte prägen. Hier studierten Adolph Freiherr von Knigge, Johann Heinrich Voß, Karl Freiherr von und zum Stein, Wilhelm und Alexander von Humboldt. Viele fanden zu naturwissenschaftlichen Thematiken, beschäftigten sich mit Physik, Mathematik und Medizin. Göttingen wurde zu einem Zentrum aufklärerischen Denkens. Viele Alumni setzten die Ideen später wirkungsvoll im Staatsdienst um. Die Steinschen Reformen sind nur ein Beispiel. 

Bis in die dreißiger Jahre des zwanzigsten Jahrhunderts wirkte das klug organisierte Wissenschaftszentrum für Physik, Mathematik und Chemie international wegweisend. In der Nachfolge von Carl Friedrich Gauß, der sich unter anderem mit Problemen der Primzahlverteilung, elliptischen Funktionstheorien und komplexen Zahlen befasste, reichte sich die Crème de la Crème der Mathematik in Göttingen die Hand. So formierte sich um Max Born die theoretische Physik. 

Mit dem Nationalsozialismus kam es zu einem Bruch. Mit der Rückkehr Heisenbergs an das Max-Planck-Institut für Physik, dem weiteren Wirken von Robert Wichard Pohl, dessen Arbeiten zu Farbzentren die Grundlage für die Forschung des späteren Nobelpreisträgers Nevill Francis Mott bildeten, konnte sich Göttingen als Forschungszentrum neu formieren.

Dem Gewissen verpflichtet – die Göttinger Sieben und die Göttinger Achtzehn

Bedeutsam für das Selbstverständnis der Göttinger Akademiker ist das politische Engagement, die Auseinandersetzung mit Zeitfragen, die über den Forschungsrahmen hinausgehen.

Die Gruppe der Göttinger Sieben bestand aus Universitäts-Professoren, die in einem gemeinsam verfassten Schreiben 1833 gegen die Aufhebung der liberalen Verfassung durch den Landesherren demonstrierten. Sie wurden dabei durch große Teile der Studentenschaft unterstützt.

Zu den Verfassern gehörten die Juristen Wilhelm und Jacob Grimm, der Orientalist Heinrich Ewald, der Staatsrechtler Wilhelm Eduard Albrecht, der Historiker Christoph Dahlmann, der Germanist Georg Gottfried Gervinus und der Physiker Wilhelm Eduard Weber, der zur Elektrodynamik und Elektrostatik forschte. Ihr Engagement bezahlten die angesehenen Gelehrten mit ihrer Entlassung.

Als Göttinger Achtzehn fanden sich mit der Atomforschung befasste Wissenschaftler zusammen, die sich 1957 in ihrem Manifest gegen eine atomare Aufrüstung der Bundeswehr wandten. Den Hintergrund bildeten nicht nur die verheerenden Atombombenabwürfe auf Hiroshima und Nagasaki und die Beteiligung vieler Wissenschaftler am Uranprojekt. In den zwanziger Jahren war Göttingen das Zentrum der Atomphysik. Um Max Born waren neben Heisenberg, Niels Bohr, Enrico Fermi, Pascual Jordan auch Robert Oppenheimer und Edward Teller versammelt.

So befanden sich in der Gruppe der Unterzeichnenden des Appells die Nobelpreisträger Werner Heisenberg, Max Born, Max von Laue und Otto Hahn. Fritz Bopp, Schüler von Max Born und Hermann Weyl, Rudolf Fleischmann, Assistent bei Robert Wichard Pohl, der Quantentheoretiker Walther Gerlach, Otto Haxel, vormals Mitarbeiter am Max-Planck-Institut, James-Franck-Schüler Hans Kopfermann, der zum Betatron arbeitete, der Franck-Schüler Heinz Maier-Leibnitz, Karl Wirtz, Wilhelm Walcher, Wolfgang Paul, Josef Mattauch, Carl Friedrich von Weizsäcker, Fritz Straßmann, Josef Mattauch, Wolfgang Riezler und Fritz Paneth, alle mit Göttingen verbunden, zählten auch dazu.

Das Göttinger Nobelpreiswunder

Über vierzig Nobelpreisträger sind mit der Universitätsstadt verbunden: Sie haben hier studiert, geforscht oder ein Lehramt ausgeübt.

1919 hatte Johannes Stark den Physik-Nobelpreis für die Zerlegung der Spektrallinien im elektrischen Feld und die Entdeckung des Dopplereffekts bei Kanalstrahlen erhalten.

Max Born erhielt 1954 zusammen mit Walther Bothe den Nobelpreis für seine Leistungen auf dem Gebiet der Quantenmechanik. Born arbeitete in den Zwanziger Jahren mit James Franck an der Entwicklung der Quantentheorie. Dieser hatte wiederum gemeinsam mit Gustav Hertz für seine experimentelle Bestätigung des Atommodells von Bohr den Nobelpreis erhalten. In Göttingen sammelte sich die Elite der Physik. In rascher Folge ergänzten sich im Austausch die Forschungsergebnisse. An den sich ergebenden Kreisen und Zirkeln nahmen mehrere Nobelpreisträger teil.

Ähnlich verhielt es sich auf dem Gebiet der Chemie. Der bei Adolf Otto Windaus promovierte Adolf F. J. Butenandt erhielt 1939 den Nobelpreis für Chemie für seine Arbeit über Sexualhormone. Windhaus hatte elf Jahre vorher den Nobelpreis für seine Arbeiten zum Aufbau von Sterinen und deren Zusammenhang mit Vitaminen erhalten. Er machte sich auch um die Vitamin-D-Prophylaxe verdient.

Bis in die Gegenwart reicht die Erfolgsgeschichte der naturwissenschaftlichen Fakultäten. Der Mediziner Bert Sakmann bekam den Nobelpreis 1991 für seine biophysikalischen Forschungen an Ionenkanälen in der Zellhülle zusammen mit Erwin Neher.

Stefan W. Hell arbeitete zur ultrahochauflösenden Fluoreszenzmikroskopie und wurde 2014 zusammen mit seinen amerikanischen Kollegen William E. Moerner und Eric Betzig mit dem Nobelpreis für Chemie gewürdigt.

Interdisziplinarität als Prinzip

Auffallend ist die fächerübergreifende Entwicklung der Persönlichkeiten, wobei die Überlagerung anfangs historisch begründet ist. Die naturwissenschaftlichen Studienrichtungen differenzierten sich erst im 19. Jahrhundert aus.

Ein Glücksfall für die Universität war es, als der Mathematiker Felix Klein nach Göttingen kam. Er gehörte nicht nur zu den Großen seines Fachs, sondern setzte es sich zum Ziel, den Fachbereich Mathematik auszubauen. So folgten Richard Courant, Carl David Tolmé Runge und vor allem David Hilbert. Hilbert stand am Beginn der modernen Algebra und der mathematischen Physik. Sein Freund Hermann Minkowski arbeitete zum Raum-Zeit-Kontinuum und konnte dadurch zur Erklärung der Einsteinschen Relativitätstheorie beitragen.

Peter Debye hatte Elektrotechnik studiert und wandte sich später dem Bereich der theoretischen Physik zu. 1936 erhielt er den Chemie-Nobelpreis für seine Arbeit über die Beugung von Röntgenstrahlen und Elektronen in Gasen und über Molekularstrukturen.

Der Chemie-Nobelpreisträger Manfred Eigen gilt als einer der Väter der dynamischen Biochemie. Er arbeitete an molekularen und atomaren Elementarvorgängen als Basis chemischer und physikalischer Eigenschaften von biologischer Materie.

Ein populäres Beispiel ist Friedrich von Weizsäcker, der Physik, Astronomie und Mathematik studierte, am Uranprojekt und zur Astrophysik arbeitete und sich später der Philosophie zuwandte.

Von der Freiheit der Wissenschaft

Mutiges Denken setzte sich in Göttingen sukzessive auch im Bereich des Frauenstudiums durch. Als eine der ersten promovierte 1787 die siebzehnjährige Professorentochter Dorothea Schlözer auf dem Gebiet der Philosophie. Allerdings erfolgte die Prüfung nur mündlich, eine Dissertation wurde nicht vorgelegt.

Die spätere Mathematikprofessorin Sofja Wassiljewna Kowalewskaja konnte in Göttingen 1874 nur „in absentia“ promovieren. Die Schülerin von Leo Königsberger, Hermann von Helmholtz und Robert Wilhelm Bunsen nahm unter großen Schwierigkeiten als Gasthörerin an Vorlesungen in Berlin und Heidelberg teil. Karl Weierstraß setzte sich vehement für die begabte Mathematikerin ein. 1883 bekam sie eine Privatdozentur in Stockholm.

Im selben Jahr wurde die erste Chemikerin in Deutschland bei Hans Hübner, Johann Benedict Listing und Friedrich Wöhler promoviert. Ihre Dissertation „Zur Kenntnis der Methylenverbindungen“ hatte Julia Lermontowa bei August Wilhelm von Hofmann in Berlin angefertigt.

Margaret Maltby hatte bereits einen Bachelor of Arts, als sie am MIT ein naturwissenschaftliches Studium absolvierte und zur Promotion zu Walther Hermann Nernst und Eduard Riecke nach Göttingen kam.

1895 studierten bereits einunddreißig Frauen regulär in Göttingen. Eine der bekanntesten ist die Mathematikerin Emmy Noether, die auf dem Gebiet der theoretischen Physik arbeitete.